Erneut Schweizer Teilnehmer beim «Boat Race» Oxford vs. Cambridge

Erneut Schweizer Teilnehmer beim «Boat Race» Oxford vs. Cambridge

Artikel - Erneut Schweizer Teilnehmer beim «Boat Race» Oxford vs. Cambridge

Mit Jean-Philippe Dufour rudert am Sonntag, 26.03.2023, im Achter der Universität Oxford erneut ein Schweizer um die Ruderkrone Grossbritanniens.

Nichts weniger als ein episches Ruderduell liefern sich die Universitäten Oxford und Cambridge jedes Jahr seit 1829 auf der Londoner Themse. Im vergangenen Jahr sorgte der Sieg der Oxford-Crew mit den Schweizer Olympia-Fünften Roman Röösli und Barnabé Delarze an Bord für ein grosses Schweizer Spektakel. Denn im unterlegenen Boot aus Cambridge sass mit Simon Schürch ein weiterer Schweizer, seines Zeichens Olympiasieger im Leichtgewichtsvierer von 2016. Diese einmalige Ambiance mit rund 250'000 begeisterten Zuschauenden am Themseufer war auch für die erfolgsverwöhnten Schweizer Kaderruderer neu und sorgte allenthalben für Gänsehaut.  

Bereits zweite Teilnahme des Zürchers Jean-Philippe Dufour
2023 wird sich erneut ein Schweizer für Oxford in den Riemen legen: Rollsitz 6 gehört dem Zürcher Jean-Philippe Dufour. «Letztes Jahr stand ich als Zuschauer auf der Hammersmith Bridge», erinnert er sich. «Sie liegt etwa auf halber Strecke. Da hatte der Oxford-Achter bereits eine Länge Vorsprung.» Ein Neuling ist er indessen nicht. Bereits 2021 ruderte er im Achter von Oxford, der aber gegen Cambridge eine Niederlage einstecken musste. 

Wie kommt es, dass ein dem Verband SWISS ROWING praktisch unbekannter Schweizer zwei Mal für Oxford um hohe Weihen rudert? Es ist kompliziert:

Student suchte neue Sportart
«Wer mich heute ansieht, wird kaum glauben, dass ich als Kind und Jugendlicher Eiskunstlauf betrieb», lacht der 1,92 grosse Modellathlet. Als er im Teenageralter immer mehr in die Höhe schoss, bedeutete dies bald mal das Ende seiner Eiskarriere. Später beschränkten sich seine sportlichen Betätigungen auf Fitnesstraining, Velofahren und Schwimmen – alles in normalem Mass.  

«Ich studierte im dritten Jahr Medizin, als ich als Ausgleich zum Studium eine passende Sportart suchte», erklärt Jean-Philippe Dufour. Der Belvoir Ruderclub in Zürich bot gerade einen Schnupperkurs an. Er war sofort Feuer und Flamme. «Ich sass seither stets in Riemenbooten, immer auf Backbord.» Sein Trainingsumfang steigerte sich auf rund  1x pro Tag, er bestritt Wettkämpfe wie «Uni gegen Poly» und war für die Universität Zürich an der Studenten-WM und -EM. «Hätte ich den Rudersport früher entdeckt, hätte ich mir durchaus eine Ruderkarriere vorstellen können», sagt Jean-Philippe Dufour mit einem lachenden und weinenden Auge.

Parallel dazu zog der Stadtzürcher das sechsjährige Medizinstudium durch und legte 2019 das medizinische Staatsexamen ab. Eine Woche später flog der frischgebackene «Dr. med.» bereits nach London, um im Oxford University Boat Club (OUBC) den obligatorischen Ergometertest für Ruderanwärter zu absolvieren. «Ich wusste von einem Kollegen, der einen ähnlichen Werdegang mit Studium in Zürich und Oxford gemacht hatte, wie der Ablauf sein würde.»

Bereits Ende 2018 hatte sich Jean-Philippe Dufour an der Universität Oxford um ein Doktorat in Neurowissenschaften beworben und wurde angenommen. «Danach musste ich mir ein Stipendium organisieren, denn ein vierjähriges Studium in Oxford geht sonst wegen den hohen Studiengebühren für Ausländer ins Geld.» Mit der Berrow-Foundation fand er einen geeigneten Förderer. «Diese Stiftung unterstützt jedes Jahr 2-3 Schweizer Studierende mit einem Vollstipendium, die sich in Oxford einem biomedizinischen Fachbereich widmen.» 

2020 war er bereits Crewmitglied im Oxford-Achter, als das Boat Race zwei Wochen vor seiner Durchführung wegen Corona abgesagt wurde. «All das Training für die Katze», schaut er zurück. Auch 2021 schaffte er den Sprung ins Boot. Das Rennen fand aber coronabedingt unter Ausschluss der Öffentlichkeit und nicht auf der traditionellen Rennstrecke in London, sondern nahe Cambridge, statt. «Das war natürlich nicht zu vergleichen mit der Ambiance von 250'000 Leuten am Themseufer.» Das Boot aus Oxford unterlag der Crew aus Cambridge. 

WG-Mitglied im Haushalt Röösli / Delarze
2022 lebte er zwar im selben Haus wie Roman Röösli und Barnabé Delarze, bewarb sich aber nicht um einen Rudersitz. «Erstens musste ich mich ein Jahr lang komplett auf mein Doktorat konzentrieren, das des Ruderns wegen gelitten hatte», sagt Jean-Philippe Dufour. Und fügt lachend an: «Zweitens hätte ich gegen Roman und Barnabé keine Chance gehabt, denn wir alle rudern Backbord und davon gibt es nur vier Rollsitze, die im 2022er-Boot allesamt mit Olympia-Finalisten von Tokio besetzt wurden.»

Nach dem grossartigen Sieg des Oxford-Achters im Frühling 2022 wurde es ruhiger im britischen Bootshaus. Das Jahreswerk war vollbracht. Die meisten Studierenden schlossen ihre Lehrgänge ab, einzig Roman Röösli trainierte unverdrossen weiter, da er Ende Juni 2022 zum Schweizer Nationalkader zurückkehren würde. In dieser Phase begleitete ihn Jean-Philippe Dufour öfters zum Training auf dem Ergometer, hatte Spass, nahm zunehmend Fahrt auf und fand zurück zum sportlichen Ehrgeiz. «Von Roman habe ich gelernt kein einziges Training zu verschwenden.» Roman Röösli habe damit durchaus Anteil daran, dass er die Trainingsstrapazen für die aktuelle Ausgabe des Boat Race nochmals auf sie genommen habe, gibt Jean-Philippe Dufour unumwunden zu. 

Demnächst Karriereeinstieg als Neurochirurg am Unispital Zürich
Nach Eingabe seines Doktorats in diesem Sommer wird er den Titel PhD in Neuroscience der Universität Oxford tragen. Schon am 1. Juli aber wird er zurück in der Schweiz seine berufliche Karriere in Angriff nehmen. Er startet an der Klinik für Neurochirurgie des Universitätsspitals Zürich als Assistenzarzt. «Dort beginne ich wieder ganz unten. Somit wäre der Sieg im Boat Race schon ein i-Tüpfelchen», freut sich Jean-Philippe Dufour auf das Rennen. Es wird der Höhepunkt seiner Rudersportkarriere sein. 


Rennstart ist um 17.00 Uhr Schweizer Zeit.

Das Boat Race wird auf "BBC one" sowie auf dem YouTube-Kanal des Boat Race live übertragen.

Mehr Informationen auf der Website des Boat Race hier.


vdg / 22.03.2023