Zum Tod von Paul Kölliker

Zum Tod von Paul Kölliker

Artikel - Zum Tod von Paul Kölliker

Vergangene Woche starb der ehemalige Spitzenruderer und Olympiateilnehmer, Erfinder der Verbandszeitschrift "R-A-C", langjährige Rudersportjournalist und erste Präsident der FISA Medien-Kommission im Alter von fast 89 Jahren. Wir blicken mit Weggefährten zurück.

Wenige Tage nach dem Tod seiner Frau Annelies, starb auch Paul Kölliker am 11. Januar 2021. Am 19. Februar wäre er 89 geworden. Den Angehörigen entbieten wir unsere herzliche Anteilnahme.

Als Ruderer und Olympiafinalist der Olympischen Spiele 1960 in Rom technisch versiert, als Journalist mit spitzer Feder und feinem Humor schaffte er es immer wieder, den Rudersport ins mediale Scheinwerferlicht zu rücken. Aber auch im Schweizerischen Ruderverband war Paul Kölliker aktiv. Er war Erfinder der Verbandszeitschrift "Rudern-Aviron-Canottaggio" und war auch gleich deren erster Redaktor. Weiter führte er bereits in den 1970er- und 1980er-Jahren Medienkurse für den Verband durch und prägte die Verbands-Kommunikation. SWISS ROWING dankte ihm im Jahr 1980 für seinen langjährigen Einsatz und verlieh ihm die Goldene Ehrennadel. Mit einigen seiner Weggefährten blicken wir zurück:


Christian Stofer, Direktor SWISS ROWING:

«Paul Köllikers Tod ist ein grosser Verlust für den Schweizer Rudersport. Mit ihm verliert die Schweizer Ruderszene einen ausgewiesenen Kenner, einen genauen Beobachter und einen «Freund des Rudersports». Persönlich lernte ich Paul Kölliker zu meiner Aktivzeit kennen, als er für die «Luzerner Neusten Nachrichten» und die «NZZ» schrieb. Er war der unverkennbare «Primus inter Pares» der Schweizer Journalistengruppe, die uns Athleten jeweils eine Stunde nach dem Rennen zum Pressetermin an den Weltcup-Regatten, Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen erwartete. Die Fragen waren präzis, und die aus den Antworten gewonnen Informationen verwob er mit seinen eigenen Beobachtungen zu Texten, die mehr waren als eine Regattaberichterstattung. Wenn nötig, hielt er mit seiner Meinung nicht zurück. Ich werde Kö. ein ehrendes Andenken bewahren.»


Marc Furrer, ehem. Präsident SWISS ROWING:

«Wenn ich an Paul denke, habe ich immer das Bild vor Augen, wie er mit Cino Valsangiacomo über den Regattaplatz zu den Medienplätzen schritt – er, Paul fast zwei Meter gross mit dem wirbligen Cino, der mindestens 40 cm kleiner war. Der Grosse und der Kleine waren beste Kollegen und deckten zusammen den Rudersport in der NZZ und im Tagi höchst kompetent und engagiert ab. Ich habe Paul zuerst als Rudersportjournalist kennengelernt, nachher in meiner Funktion als Regattaveranstalter und dann als SRV-Präsident. Paul war ein höchst vergnüglicher, lustiger Kollege – wir hatten viel Spass zusammen. Aber er war ein kritischer Journalist, der seine Meinung ungeschminkt schrieb. Wenn im Verband etwas falsch lief, oder ein Boot halt nicht schnell genug war und auch nicht das Potential für Höheres hatte, schrieb Paul das «fadegrad». Das passte nicht allen – gerade weil sein Wort Gewicht hatte. Aber mit dieser Unabhängigkeit, dem riesigen Sachverstand und der Liebe zum Rudersport war er während Jahrzehnten ein hoch respektierter Botschafter unseres Sportes.»


Denis Oswald, ehem. Präsident FISA / Ehrenpräsident FISA u. Ehrenmitglied SWISS ROWING:

«Avec le décès de Paul Kölliker, nous avons perdu une personnalité exceptionnelle qui a apporté énormément à tous ceux qui ont eu la chance de vivre dans son entourage. Il a aussi beaucoup apporté à l’aviron. Après avoir été un grand rameur, il a été un journaliste qui savait magnifiquement bien parler de notre sport parce qu’il le connaissait de l’intérieur. C’est donc sans surprise que nous lui avons demandé en 1991 de prendre la notre commission des médias et, à ce titre, de devenir membre du Conseil. Nos collègues étrangers ont alors découvert un homme très chaleureux qui faisait démentir la vision des Suisses qui n’ont pas d’humour. Ils l’ont immédiatement adopté et le pleurent aujourd’hui.»

(Übersetzung: «Mit dem Tod von Paul Kölliker haben wir eine herausragende Persönlichkeit verloren, die all jenen, die das Glück hatten, in seinem Umfeld zu leben, sehr viel gebracht hat. Er hat auch viel zum Rudern beigetragen. Nachdem er ein großartiger Ruderer war, war er ein Journalist, der es verstand, schön über unseren Sport zu sprechen, weil er ihn von innen kannte. So war es nicht verwunderlich, dass wir ihn 1991 baten, unseren Medienausschuss zu übernehmen und damit auch Mitglied des Rates zu werden. Unsere ausländischen Kollegen entdeckten dann einen sehr warmherzigen Mann, der die Vorstellung von den humorlosen Schweizern Lügen straft. Sie haben ihn sofort adoptiert und trauern heute um ihn.»)


Christian Schweizer, ehem. Rudersportjournalist, Stans:

Großes Herz und verblüffende Komik
«19. Februar 1932 endete die Weltwirtschaftsdepression mit einem Schrei: Paul Kölliker erblickte die Welt und begann sie zu erheitern. In AIPS Journalists Rowing zeigte er mit herausragendem Überblick seine Größe. Er bezahlte an Weltmeisterschaften die Verpflegung ostdeutscher Kollegen. Dabei verblüffte er mit unnachahmlicher Geisteskomik, in welcher er den Luzerner Komiker Emil Steinberger übertraf, eingeschleuste DDR-IM-Agenten mit dem Spruch: «Funktionäre sind lächerlich, weil sie nicht funktionieren». Die FISA trug es mit Fassung.»

Vom Redaktor zum Belletristiker
«Das SRV-Magazin „Rudern – Aviron - Canottaggio“ war 1976 ein Kind von Paul Kölliker, zuerst verlegt beim Nebelspalter, heute weiter im 45. Jahrgang unterm Titel „Swiss Rowing“. Zum ersten Medienchef der FISA überhaupt wurde Paul Kölliker 1990 in Tasmanien gewählt und in der NZZ publizierte er Rudern als kritisch unterhaltsame Belletristik. Dies alles unabhängig, weil „Kö“ bei keinem Ruderverein Aktivmitglied war. Erst als seine Enkel zum Ruder griffen, ward er wieder ein Luzerner Seeclübler.»


Americo Bottani, Journalist, Corriere del Ticino et al., Swiss Rowing Magazin: 

«Sono giorni tristi per il canottaggio elvetico, per me, in modo particolare. Ho avuto il piacere e l’onore di vivere con lui i maggiori eventi remieri internazionali al seguito della nazionale rossocrociata. Ho sempre ammirato la sua signorilità, la gentilezza nei rapporti con i colleghi. Giornalista professionista di spessore, grande comunicatore. Valori che gli sono valsi la presidenza della Commissione “Comunicazione” in seno alla FISA. Lo ricordo, in particolare, quale fondatore del Ruder Club San Gottardo “Ragusotto”, sodalizio di carattere goliardico, nato sul passo del celebre passo nel 1977 e che ha visto l’adesione di un buon numero di “addetti ai lavori”.»

(Übersetzung: «Es sind traurige Tage für den Schweizer Rudersport und für mich im Besonderen. Ich hatte das Vergnügen und die Ehre, mit ihm als Mitglied der Schweizer Nationalmannschaft die grossen internationalen Ruderveranstaltungen zu erleben. Ich habe immer seine Gentlemanität und Freundlichkeit im Umgang mit Kollegen bewundert. Er war ein professioneller Journalist von grosser Tiefe und ein grossartiger Kommunikator. Werte, die ihm den Vorsitz der Media Commission innerhalb der FISA einbrachten. Ich erinnere mich vor allem an ihn als Gründer des Ruderclubs San Gottardo "Ragusotto", einer Partnerschaft mit goliardischem Charakter, die 1977 auf dem berühmten Pass geboren wurde und den Beitritt einer guten Anzahl von "Insidern" gesehen hat.»)


Christopher Dodd, Ruderjournalist und Autor, ehem. The Guardian:

«Paul Kölliker was a champion junior sculler who progressed to the Swiss quad at the 1960 Olympics in Rome before turning to journalism. He was extremely tall and bright-eyed, and he wrote with authority, intelligence and mischievousness. 

His height helped him to defeat the Korean army on finals day at the Seoul Olympics in 1998.
A platoon of soldiers determined to prevent journalists interviewing medal winners at the boathouses. After much argument – the European media were on an extremely tight deadline - Paul, who was working for Swiss broadcasting, grabbed a huge furry mic on a pole and broke through the army ranks while swinging it like a scimitar, backed by a cheering media mob. 

I had the privilege of working with Paul on the media commission set up by FISA in the 1990s. Chairman Kölliker’s predominant characteristics were straight talking on FISA’s council and humor wherever he found himself. Our commission got off to a good start at its first meeting because I had been commissioned by my British newspaper to write a piece on whether the Swiss enjoyed a sense of humor. I addressed the question to Paul and unleashed a stream of jokes, many unprintable.  

Henceforth every meeting began with Swiss jokes, to the chagrin of other commissions who could hear our laughter echoing in the corridors of conference centres. Paul’s commission also did some useful work for FISA, the most notable being the creation of World Rowing magazine, then on paper, now an internet publication. 

When it came to reporting, Paul was an excellent colleague in the press box and at the dinner table. He was at the core of an informal dining club of media and medics who explored culinary delights during FISA’s annual joint commissions meetings. He often attended dinners at the Rebstock, Lucerne, organized by the British Association of Rowing Journalists on the last night of the regatta. I shall miss the call of ‘Kriiiiiiiiiiiiiiissssss, Kriiiiiiiiiisssssss…’ that preambled another Swiss joke.»

(Übersetzung: «Paul Kölliker war Juniorenmeister im Rudern, der bei den Olympischen Spielen 1960 in Rom in den Schweizer Vierer aufstieg, bevor er sich dem Journalismus zuwandte. Er war extrem gross und helläugig, und er schrieb mit Autorität, Intelligenz und Schalk. 

Seine Körpergrösse half ihm, die koreanische Armee am Finaltag der Olympischen Spiele in Seoul 1998 zu besiegen.
Ein Trupp Soldaten wollte Journalisten daran hindern, die Medaillengewinner an den Bootshäusern zu interviewen. Nach vielen Auseinandersetzungen - die europäischen Medien hatten eine extrem knappe Deadline - schnappte sich Paul, der für das Schweizer Fernsehen arbeitete, ein riesiges pelziges Mikrofon an einer Stange und brach durch die Reihen der Armee, während er es wie einen Krummsäbel schwang, unterstützt von einem jubelnden Medienmob. 

Ich hatte das Privileg, mit Paul in der Medienkommission zu arbeiten, die von der FISA in den 1990er Jahren eingesetzt wurde. Die vorherrschenden Eigenschaften des Vorsitzenden Kölliker waren seine Geradlinigkeit im FISA-Rat und sein Humor, wo immer er auftauchte. Unsere Kommission hatte bei ihrer ersten Sitzung einen guten Start, weil ich von meiner britischen Zeitung den Auftrag erhalten hatte, einen Artikel darüber zu schreiben, ob die Schweizer Sinn für Humor haben. Ich richtete die Frage an Paul und entfesselte einen Strom von Witzen, von denen viele nicht druckbar waren.  

Von nun an begann jede Sitzung mit Schweizer Witzen, zum Leidwesen der anderen Kommissionen, die unser Lachen in den Fluren der Konferenzzentren widerhallen hören konnten. Pauls Kommission leistete auch einige nützliche Arbeit für die FISA, am bemerkenswertesten war die Erstellung des World Rowing Magazins, damals noch auf Papier, heute eine Internetpublikation. 

Wenn es um die Berichterstattung ging, war Paul ein ausgezeichneter Kollege auf der Pressetribüne und am Esstisch. Er war Mitinitiant eines informellen Essensclubs von Medien und Medizinern, die während der jährlichen gemeinsamen Kommissionssitzungen der FISA kulinarische Genüsse erkundeten. Er nahm oft an den Abendessen im Rebstock, Luzern, teil, die von der British Association of Rowing Journalists am letzten Abend der Regatta organisiert wurden. Ich werde den Ruf 'Kriiiiiiiiiiiiiiissssss, Kriiiiiiiiiissssss...' vermissen, der jeweils einen weiteren Schweizer Witz einleitete.») 


Elmar Wagner (Sportchef NZZ und NZZ am Sonntag):

«Paul Kölliker schrieb während Jahrzehnten Artikel über das Rudern in der NZZ, als Freier Mitarbeiter unter dem Kürzel «Kö.». Dabei war er unverwechselbar, weil er gleich über mehrere journalistische Eigenschaften verfügte: Er war ein Fachmann, versteckte dieses Wissen aber nicht in technokratischen Formulierungen, sondern versah es mit Leben. In seinen eindrücklichsten Artikeln wurden die Sportler als Menschen fassbar, weil Kö. Geschichten über sie zu erzählen wusste, stets differenziert, oft mit feinem Humor. Und wenn es nötig war, hielt er seine Meinung nicht zurück. Man merkte in jeder Zeile: der Autor weiss viel vom Leben – wir haben ihn auch deswegen sehr geschätzt.» 


Kurt Henauer, ehem. Sportjournalist Agentur SI, heute Kommunikation BASPO:

«Was ist mir von der ersten Begegnung mit Paul Kölliker geblieben? Der Name war mir vom Schweizer Fernsehen her ein Begriff. Dann traf ich «Kö» 1991 zum ersten Mal am Rotsee, den 2-m-Mann mit der Dächlikappe, der jede und jeden auf der Pressetribüne kannte. Der Fachjournalist der NZZ kommentierte jedes Rennen, tauschte sich unter anderem mit dem «Konkurrenten» vom Tages Anzeiger, Licinio Valsangiacomo aus.  Dabei kamen die ausländischen Ruderer in der Regel besser weg als die Schweizer. Das ist neben seinem Lachen und seinem Humor meine erste Erinnerung.»


Jolanda van de Graaf, Media Office SWISS ROWING:

«An der WM in Tampere (Fin) 1995 erlebte ich meine ruderjournalistische Premiere. Patron der Schweizer Journalisten war Paul Kölliker, der Mann der NZZ. Sein stechender, kritischer Blick über alle Köpfe hinweg liessen manchen Ruderer und Funktionär erschaudern. Für mich aber war er eine Instanz und Leuchtturm. So hart er in seinen Berichten mit den Ruder*innen umging, so angenehm und herzlich empfand ich ihn an meiner Seite auf der Pressetribüne. Dabei konnte er in aller Länge von seinen beiden Mauleseln im Napfgebiet erzählen.» 


Hanns Fuchs (Journalist und Ruderer): 

Hanns Fuchs schrieb zu Paul Köllikers 80. Geburtstag ein Portrait, das sich in der Tat wie ein Abenteuerroman liest. Paul Kölliker als Olympiaruderer, Holzhacker, Entwicklungshelfer, Aufbauer von Kinderheimen, TV-Journalist, Ruderberichterstatter und Mauleselliebhaber. Eine fantastische Geschichte. Lesenswert!

Hier geht's zum Portrait von Hanns Fuchs über Kö. zu seinem 80. Geburtstag 2012