Vorschau auf die Europameisterschaften vom 29. Mai bis 1. Juni in Plovdiv (Bulgarien)
Artikel - Vorschau auf die Europameisterschaften vom 29. Mai bis 1. Juni in Plovdiv (Bulgarien)

Ohne eine internationale Standortbestimmung an Titelkämpfe zu reisen, ist eine besondere Herausforderung. Für Athletinnen und Athleten wie auch für die Trainer. Doch so sieht es der diesjährige Regattaplan von World Rowing bzw. European Rowing vor und betrifft alle Athletinnen und Athleten gleichermassen. Die beiden geplanten Weltcups in Varese und Luzern finden erst im Juni, die Weltmeisterschaften in Shanghai sogar erst Ende September statt.
Für diesen «Kaltstart» in das internationale Jahr bietet SWISS ROWING ausschliesslich erfahrene Elite-Athletinnen und Athleten der letzten Jahre auf. Darunter bei den Männern den letztjährigen Europameister und Olympia-Vierten Raphaël Ahumada (Forward Rowing Club Morges), der den Titel im Leichtgewichts-Doppelzweier zusammen mit Jan Schäuble gewann. Auch Jonah Plock (Ruderclub Rapperswil-Jona), der amtierender Vize-Europameister im Doppelvierer ist, wird in Plovdiv wieder dabei sein. Verteidigungen ihres Titels und der Vizemeisterschaft werden in diesem Jahr allerdings nicht möglich sein, da sie wie auch die übrigen Schweizerinnen und Schweizer - mit Ausnahme von Lisa Lötscher (Seeclub Luzern) wieder im Doppelvierer - in anderen Kategorien an den Start gehen.
Männerteam im Doppelzweier und Zweier ohne
Raphaël Ahumada wagt nach der Streichung der Leichtgewichts-Bootsklassen bei Olympia den Schritt in die offene Klasse. Bei den internen Trials Anfang Mai hatte er sich für eine Kombination mit Kai Schätzle (Seeclub Luzern) empfohlen und wird nun zusammen mit dem Luzerner im Doppelzweier an den Start gehen. Schätzle sass im vergangenen Jahr im Vierer ohne Steuermann, der sich für Paris qualifizieren konnte. Ebenfalls in diesem Vierer sass Patrick Brunner (Seeclub Sempach), der sich in Plovdiv mit Jonah Plock im Zweier ohne beweisen will.
Maurin Lange, zusammen mit Plock 2024 Silbermedaillengewinner im Doppelvierer, wurde für die kommende EM im Skiff selektioniert, wird aufgrund einer Verletzung aber auf seinen Start verzichten.
Die Konkurrenz hat sich in grossen Teilen ebenfalls neu aufgestellt. Im Doppelzweier der Männer sind 20 Mannschaften gemeldet, darunter die Olympiasieger aus Rumänien Andrei Cornea and Marian Enache. Auch der französische Olympiasieger von Tokio 2020, Hugo Boucheron, ist wieder dabei und fährt jetzt mit Victor Marcelot. Neu im Feld sind mehrere ehemalige Leichtgewichts-Namen: Der irische Olympiasieger im Leichtgewichts-Doppelzweier der Männer Fintan McCarthy, der mit dem EM-Debütanten Konan Pazzaia antritt. Hinzu kommen der Olympia-Silbermedaillengewinner Gabriel Soares, der zusammen mit Niels Torre für Italien antritt sowie die Olympia-Bronzemedaillengewinner Antonios Papakonstantinou und Petros Gkaidatzis aus Griechenland.
Im Zweier ohne der Männer sind 14 Boote gemeldet. Die drei Medaillenboote von Paris sind hier nicht mehr im Rennen. Die siegreichen Sinkovic Brüder spannen in diesem Jahr für einen Vierer ohne mit den Loncaric Brüdern zusammen. Zu den wenigen unveränderten Teams des letzten Jahres gehören auch hier die Rumänen, die an der EM Silber gewinnen konnten. Sie erreichten auch das olympische Finale und wurden Vierte vor den ebenfalls gemeldeten Spaniern Jaime Canalejo und Javier Garcia. Der Ire Ross Corrigan wurde in Paris Sechster in dieser Disziplin und hat sich für Plovdiv mit dem Olympia-Dritten im Doppelzweier der Männer, Daire Lynch, zusammengetan. Auch die litauischen Stankunas-Zwillinge, Dovydas und Domantas, sind wieder gemeinsam am Start.
Frauenteam im Skiff und Doppelvierer
Das Frauenteam wird aktuell vertreten durch die Olympionikinnen Fabienne Schweizer und Lisa Lötscher (beide Seeclub Luzern) verstärkt durch die Ruderinnen Nina Wettstein (Seeclub Stäfa), Olivia Nacht (Ruderclub Baden) und Salome Ulrich (Seeclub Luzern) sowie der Ersatzruderin Olivia Negrinotti (Società Canottieri Ceresio).
Fabienne Schweizer hatte alle Selektionsrennen im Skiff dominiert. Sie tritt in Plovdiv in dieser Bootsklasse an, um zu sehen, ob dieses Projekt das Beste für sie und das Team ist.
Der Doppelvierer wird in Plovdiv aus den Ruderinnen Nina Wettstein, Lisa Lötscher, Salome Ulrich und Olivia Nacht bestehen. Nina Wettstein konnte im vergangenen Jahr im Doppelzweier an der EM Rang sechs belegen, der Doppelvierer Rang fünf. Salome Ulrich war damals als Ersatzruderin Teil des Teams. Olivia Nacht, wie Ahumada im letzten Jahr noch im Leichtgewichtsbereich aktiv, stellt sich in diesem Jahr auch der Konkurrenz in der offenen Klasse. Olivia Negrinotti wird im Spare Race an den Start gehen.
Das Feld im Frauen Einer wird aus 17 Booten bestehen. Weder die Olympiasiegerin Karolien Florijn ist gemeldet, noch die amtierende Europameisterin Jovana Arsic. Zu den aussichtsreichen Starterinnen zählen aber noch die Bronzemedaillengewinnerin von Paris 2024, Viktoria Senkute aus Litauen, die EM-Silbermedaillengewinnerin von 2022, Evangelia Anastasiadou aus Griechenland sowie die erfahrene Virginia Dias Rivas aus Spanien. Neu im Einerfeld sind auch die beiden Olympiasiegerinnen Lauren Henry (GB), die Gold im Doppelvierer der Frauen gewann, und die Niederländerin Benthe Boonstra, die im Vierer ohne der Frauen siegte. Die dreifache U23-Weltmeisterin und Silbermedaillengewinnerin der Europameisterschaft 2024 Alexandra Föster (Deutschland) ist ebenfalls in den Kreis der Favoritinnen zu zählen.
Im Doppelvierer bekommen es die Schweizerinnen mit 9 Konkurrentinnen zu tun. Doch in vielen Teams gab es seit Paris viele Veränderungen in der Besetzung. Grossbritannien ist amtierender Europa- und Weltmeister sowie Olympiasieger, aber nur Lola Anderson kehrt aus dieser Mannschaft zurück, zu der jetzt auch die Olympia-Bronzemedaillengewinnerin im Doppelzweier Rebecca Wilde gehört. Die Hälfte der ukrainischen Silbermedaillengewinner ist wieder dabei, ebenso wie die Hälfte des deutschen Bootes, das bei den Ruder-Europameisterschaften 2024 wie auch in Paris Bronze gewonnen hat. Auch die Niederlande werden um die Medaillen kämpfen.
Para Rowing mit Claire Ghiringhelli
Im Bereich des Para Rowing wird auch in diesem Jahr Claire Ghiringhelli (Società Canottieri Locarno) die Schweiz vertreten. Sie wurde erneut von der Schweizer Paraplegiker-Vereinigung nominiert, die EM im Einer der Kategorie PR1 zu bestreiten. Im vergangenen Jahr konnte sich die Tessinerin für die Paralympischen Spiele qualifizieren und ein Diplom errudern. An der EM in Plovdiv werden Claire Ghiringhelli und ihr Trainer Christophe Malchere in bewährter Manier vollumfänglich in die Delegation von SWISS ROWING integriert sein.
Im PR1-Frauen-Einer ist die erst 24 Jahre alte Ukrainerin Anna Sheremet seit mehreren Jahren eine der Favoritinnen. In Abwesenheit aller drei paralympischen Medaillengewinnerinnen ist Sheremet – Vierte in Paris und Fünfte bei den Ruder-Europameisterschaften im letzten Jahr – die Favoritin in Plovdiv.
Einschätzung von Headcoach Alexis Besançon
Welche Boote haben Deiner Meinung nach eine reelle Chance, Medaillen zu gewinnen?
«Das gesamte Team arbeitet täglich daran, dass alle Athletinnen und Athleten Fortschritte machen, um Medaillen zu gewinnen. Ich halte mich mit Prognosen zurück und verwende meine ganze Energie lieber darauf, Fortschritte in der Arbeit zu machen: Sie sind es, die die Ergebnisse ausmachen.»
Mit welchen Erwartungen und Zielen gehst Du nach Plovdiv?
«Dies ist der erste internationale Wettkampf für die Gruppe seit Paris. Die Mannschaft fährt nach Plovdiv, um ihre Fortschritte im Training zu konkretisieren und von einem grossen internationalen Wettkampf zu profitieren sowie in einem neuen regulatorischen Umfeld weitere Fortschritte zu erzielen. Durch die Abschaffung der Hoffnungsläufe darf man sich in den Vorläufen keine Fehler erlauben. Man muss von Anfang an alles geben. Das passt ziemlich gut zu der Entschlossenheit und dem Engagement, das mir die Athletinnen und Athleten bisher gezeigt haben.»
Nach dem grössten Olympia-Aufgebot eines Schweizer Ruderteams nach vielen Jahrzehnten und einer der grössten Schweizer Delegationen in Paris ist das Team in Plovdiv wieder kleiner. Was ist die Strategie für den Aufbau im Hinblick auf die Spiele in Los Angeles 2028?
«Es ist natürlich, dass viele Athletinnen und Athleten, dies war aktuell eher bei den Männern der Fall, am Ende einer Olympiade beschliessen, ihre Karriere vorübergehend oder endgültig zu beenden. Aktuell besteht das Elite-Team aus einem kleinen, dafür qualitativ hochwertigen Kern. Er bildet einen starken Ausgangspunkt, zu dem sich bald die jungen und vielversprechenden U23-Ruderer gesellen werden. Wir müssen ihnen die Zeit geben, in ihrer Kategorie Weltmeisterschaftsmedaillen gewinnen zu können, bevor wir sie in den Elitekader aufnehmen. 8 Männer und 1 Frau haben allein dieses Jahr an der Spitzensport-Rekrutenschule teilgenommen. Ihr Ziel ist es, sehr schnell die Reihen der Elite zu erweitern.»
Weitere Informationen auf worldrowing.com
>> Provisorische Startzeiten EM Plovdiv vom 29. Mai bis 1. Juni 2025
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Plovdiv, 28. Mai 2025 / NS