Jörg Bossart: ein stiller Abschied von einem grossen Sportsmann

Schliessen

Schliessen

Jörg Bossart: ein stiller Abschied von einem grossen Sportsmann

Artikel - Jörg Bossart: ein stiller Abschied von einem grossen Sportsmann

Jörg Bossart verstorben
Am 5. Mai 2025 ist Jörg "Pii" Bossart im 89. Lebensjahr friedlich eingeschlafen. Mit ihm verliert die Schweizer Sportwelt nicht nur den ehemaligen Präsidenten des Ruderverbandes (1979-1982), sondern vor allem einen leidenschaftlichen Förderer, Visionär und echten Sportsmann.

Sein Wirken war geprägt von tiefer Überzeugung, unermüdlichem Engagement und einer ansteckenden Liebe zum Sport. Unzählige Athletinnen und Athleten profitierten und profitieren noch heute von seinem Einsatz – nun trauert die Schweizer Ruderfamilie um einen Menschen, der weit über den Rudersport hinaus bleibende Spuren hinterlässt.

Geboren am 21. März 1937 in Luzern, wuchs Jörg gemeinsam mit seiner Mutter und seinen zwei Schwestern in einem von Frauen dominierten Haushalt auf. Schon früh zeigte sich seine Begeisterung für Zahlen – eine Faszination, die ihm in der Pfadi den Spitznamen „Pii“ einbrachte. Dieser Name wurde zu einem Markenzeichen, das ihn ein Leben lang begleiten sollte.

Noch in jungen Jahren entdeckte Jörg seine zweite grosse Leidenschaft: das Rudern. Als Schüler trat er dem Seeclub Luzern bei – ein Schritt, der sein Leben nachhaltig prägte. Während seiner Schul- und Studienzeit war er zudem als Sportjournalist tätig, mit besonderem Fokus auf das Rudern und den Skisport. Bereits mit 28 Jahren übernahm er das Präsidium des Seeclubs Luzern – ein beeindruckender Beleg für seine Führungsstärke, sein Herzblut und seinen Weitblick.

Beruflich zog es ihn nach Zürich, wo er bei der damaligen Schweizerischen Bankgesellschaft (später UBS) eine beeindruckende Karriere begann und sich über drei Jahrzehnte hinweg bis zum Direktor hocharbeitete. Doch auch fernab seiner Heimatstadt blieb das Rudern ein zentraler Bestandteil seines Lebens. Als aktives Mitglied des Seeclubs Zürich engagierte er sich intensiv für den Leistungssport – sowohl auf Vereins- als auch auf nationaler Ebene.

Fast gleichzeitig mit dem Umzug nach Zürich gründete Jörg mit der Luzernerin Heidy Bossart-Schnyder eine Familie. Aus ihrer Ehe gingen drei Söhne hervor. Die Familie spielte im Leben von Jörg und Heidy stets eine zentrale Rolle und genoss höchste Priorität.

Von 1979 bis 1982 stand Jörg als Präsident dem Schweizerischen Ruderverband vor – in einer Zeit voller politischer Herausforderungen. Im Vorfeld der Olympischen Spiele 1980 in Moskau setzte er sich mit Nachdruck dafür ein, dass die Entscheidung über eine Teilnahme nicht politisch verordnet, sondern den einzelnen Verbänden überlassen wurde. Mit nur einer Stimme Mehrheit wurde dieser Vorschlag angenommen – ein eindrückliches Zeugnis seines diplomatischen Geschicks und seines Vertrauens in den Willen der Athletinnen und Athleten. Die Schweiz entsandte schliesslich drei Boote nach Moskau – zwei davon, der Vierer-ohne und der Vierer-mit erreichten das Finale. Zwei Jahre später folgte der krönende Höhepunkt: Der Vierer-ohne gewann auf dem Rotsee den Weltmeistertitel. 

Für sein ausserordentliches Engagement wurde Jörg mit dem Goldenen Ehrenruder des Verbandes ausgezeichnet – eine Ehrung, die seine Verdienste zwar würdigt, aber kaum in ihrer ganzen Tiefe erfassen kann. 

Auch nach dem Ende seiner Amtszeit blieb Pii dem Rudersport eng verbunden. Auf seine Initiative hin wurde 1990 im Seeclub Zürich der „Club 2000“ ins Leben gerufen – ein neuer Weg zur gezielten Förderung des Leistungssports. Dieses verlässliche Fördergefäss ermöglichte es dem Club erstmals, einen professionellen Trainer anzustellen – ein Meilenstein in der Clubgeschichte und ein Vorzeigeprojekt für viele andere Rudervereine in der Schweiz. Mit dieser wegweisenden Initiative setzte Pii neue Massstäbe in der Unterstützung des Leistungssports.

Ein weiteres Herzensprojekt von ihm war das zweite Bootshaus des Seeclubs in Eglisau, das ursprünglich auf einem Grundstück im Baurecht errichtet worden war. Er erkannte frühzeitig das Risiko, das mit einem Baurecht verbunden ist, und übernahm eine führende Rolle beim endgültigen Erwerb des Landes. Durch seine Initiative und die Mobilisierung der notwendigen Mittel schenkte er dem Rudersport ein langfristiges und sicheres zuhause.

Auch auf nationaler Ebene setzte er erneut bleibende Impulse. Als sich für den Ruderverband die Gelegenheit ergab, das ehemalige Institut des Benediktinerklosters in Sarnen zu übernehmen, stellte er erneut seine Erfahrung in den Dienst des Sports. Mit grossem Engagement trieb er die Finanzierung dieses ehrgeizigen Projekts voran und leistete einen entscheidenden Beitrag zur Realisierung eines nationalen Trainingszentrums. 1999 wurde er zum ersten Präsidenten der neu gegründeten Stiftung „Haus des Schweizer Rudersports“ gewählt – ein Amt, das er mit Weitsicht, Geduld und unermüdlicher Leidenschaft ausführte. Mit der Schaffung dieses Zentrums wurde der Grundstein für künftige Erfolge der Schweizer Ruderer gelegt. 

Nach der Übergabe des Präsidiums im Jahr 2002 wurde er in Anerkennung seiner Verdienste zum Ehrenmitglied des Schweizerischen Ruderverbandes ernannt.

Pii war nicht nur Funktionär – er war selbst leidenschaftlicher Ruderer. Mehrmals wöchentlich stieg er mit Rudergrössen wie Bürgin, Studach, Lindegger oder Netzle um nur einige zu nennen, ins Boot. Diese Trainings waren keine geselligen Ausflüge, sondern fordernde Einheiten voller Disziplin und Konzentration. Die geselligen Stunden kamen dennoch nicht zu kurz – sei es beim gemeinsamen Frühstück, Mittag- oder Nachtessen mit seinen Ruderfreunden nach der Ausfahrt. Diese Momente der Kameradschaft und des Austauschs waren für Jörg ebenso wertvoll wie das Training selbst – Erinnerungen, die er bis zuletzt in seinem Herzen trug.

Am 5. Mai 2025 hat sich der Lebenskreis von Jörg „Pii“ Bossart geschlossen. Zurück bleibt die Erinnerung an einen Menschen, der Verantwortung übernahm, Visionen lebte, andere mitriss, förderte und inspirierte. Ein Vorbild – im Beruf, im Ehrenamt, im Sport, in der Familie.

Sein Wirken wird weiterleben:
In jedem Boot, das über den See gleitet.
In jeder mutigen Entscheidung.
In jedem Menschen, den er berührt hat.

Mach’s gut, Pii. Du hast grosse Spuren hinterlassen.

(Nachruf verfasst von René Fischer; Seeclub Luzern / Präsident der Stiftung Ruderzentrum Luzern - Rotsee)

Bilder: zVg (Jörg Bossart (Präsident des Schweiz. Ruderverbandes) gratuliert an der Ruder-WM 1982 auf dem Rotsee dem Schweizer Vierer-ohne mit Stephan Netzle, Konrad Trümpler, Jörg Weitnauer und Bruno Saile zum Gewinn der Goldmedaille.)